Wir fahren die letzten Kehren hoch nach Chaux-neuve, meinem Heimat- und Trainingsstandort in den französischen Alpen. „Nach Hause kommen“ ist immer ein schönes Gefühl, vor allem, wenn man mit guten Ergebnissen zurückkehrt. In Engelberg, der zweiten Station des Damen-Weltcups konnte ich an die Ergebnisse des ersten Weltcupwochenendes anknüpfen. Ich hatte anfänglich etwas Sorgen, dass mich die vierzehntägige Wettkampfpause aus dem Konzept bringen könnte, doch dank des Heimtrainings in Chaux-neuve konnte ich auch in der Schweiz „meine besten Sprünge“ zeigen. Wieder ein Weltcup-Sieg, wieder das „maillot jaune“, pardon das „Gelbe Trikot“ im Gepäck auf der Rückreise, zu dem man als Französin ja ein besonderes Verhältnis hat, auch wenn man nicht die Tour de France fährt, sondern im Winter von Skischanzen springt.
Endlich kommen wir an, gerade ist die Dunkelheit hereingebrochen und Chaux-neuve steht im weihnachtlichen Lichterglanz. Alles wird in Ruhe aus dem Auto raugeräumt, Koffer und Sprungski, dann endlich „mein“ Ankommen mit einer leckeren Tasse Limonen-Kamillentee.
Die ersten beiden Weltcups sind für mich famos gelaufen. Zwei Weltcupsiege sowie die Einzelplatzierungen 2 und 4 haben mir in der Gesamtweltcupwertung schon ein kleines Polster verschaffen können. Für viele eine faustdicke Überraschung und für mich eine schöne Bestätigung der sommerlichen Vorbereitung. Es war ein hartes Training, überwiegend auf der Heimschanze, das mich Stück für Stück weitergebracht hat.
Gesamtweltcup und Gelbes Trikot sind jedoch Dinge, die ich nicht so an mich heranlasse, auch wenn derzeit vor allem französische Journalisten nach nichts lieber fragen- nein, ich schaue immer nur von Springen zu Springen und besonders gerne habe ich den Wettbewerb in Oberstdorf im Blick, weil ich diesen wintersportbegeisterten Ort und die Schanzenanlage sehr mag.
Nach den Weihnachtstagen, an denen ich im Kreis der Familie Ruhe tanken möchte, geht es nach Deutschland, um zumindest eine „halbe“ Vierschanzentournee der Damen zu bestreiten- sicherlich ein weiterer Schritt zur Gleichberechtigung im Skispringen, aber eben auch ein langsamer. Es ist schwer einzusehen, warum nicht dieses Jahr parallel zu den Herren an den klassischen vier Standorten gesprungen werden kann, um somit die überfällige Vierschanzentournee der Damen aus der Taufe zu heben. In mir muss diesbezüglich manchmal die Geduld der Ungeduld weichen, dann aber auch wieder die Ungeduld der Vorfreude, die ich auf Oberstdorf verspüre.
Oberstdorf fetzt ! – nach meiner Ankunft schlendere ich immer gerne durch die Straßen, genieße einen Latte macchiato im „Cafe Oberstdorf“ und freue mich an dem Treiben in den engen Gassen, über denen majestätisch die Schanzen thronen. Ich mag die Landschaft und vor allem die deutsche Kulinarik, die hier immer besonders zelebriert wird. Reise ich wieder mit dem gelben Trikot ab, werde ich mir vorher im „Jagdhaus“ Königsschmarn mit beschwipsten Aprikosen gönnen.-
Herzliche Grüße
Josephine Pagnier